Bio-Stadt Wien
Nach dem Motto „wachsen oder weichen“ zwingen die stetig sinkenden Erlöse für landwirtschaftliche Produkte die Bäuer*innen heute mehr denn je zur Vergrößerung und Intensivierung oder zur Aufgabe ihrer Betriebe. Eine Alternative dazu bietet die biologische Landwirtschaft: mineralische Düngemittel, chemisch-synthetische Spritzmittel und gentechnisch veränderte Organismen sind hier verboten, eine artgerechte, an die Betriebsgröße angepasste Tierhaltung mit hohen Tierschutzstandards ist vorgeschrieben, insgesamt ein ganzheitliches und nachhaltiges Produktionssystem. Der erhöhte Arbeitsaufwand wird den Bäuer*innen durch bessere Produktpreise und Förderungen abgegolten, staatliche Kontrollen garantieren dem Konsument*innen die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen (EU-Verordnung 834/2007). Die Konsument*innen profitieren durch optimale Lebensmittelqualität, die Umwelt durch geringere Belastungen an Nitrat und Spritzmittelrückständen sowie durch eine höhere Artenvielfalt.
Die Nachfrage nach Bio-Produkten ist hoch: nach Umfrageergebnissen kaufen 60 Prozent der 1,8 Millionen Wiener Konsument*innen +/- regelmäßig Bio-Produkte, weitere 30 Prozent zumindest gelegentlich. In den letzten Jahren wird dieses gewaltige Absatzpotenzial von der Wiener Landwirtschaft zunehmend wahrgenommen. So hält Wien im Ranking der Bundesländer derzeit mit fast 30 % Bio- bzw. Umstellungsbetrieben den 2. Platz hinter Salzburg mit 50% (Österreich gesamt: 30 %), während es bei den Bio-Flächen mit 35% knapp hinter Burgenland mit 37% und Salzburg mit 59% auf Platz 3 liegt (Österreich gesamt 27%; Quelle: BMLRT, Februar 2021).
Die Wiener Stadtverwaltung fördert den Absatz von Bio-Produkten durch Großabnahme (mindestens 30% Anteil) beim Einkauf von Nahrungsmitteln für öffentliche Einrichtungen (Kindergärten, ganztägige Pflichtschulen, städtische Spitäler, Pflege- und Pensionist*innenwohnhäuser) im Rahmen des nachhaltigen Beschaffungsprogramms „ÖkoKauf“ der Wiener Umweltschutzabteilung. Der Direktverkauf von Bio-Lebensmitteln auf den Wiener Märkten wird vom Marktamt der Stadt Wien durch Landparteien-Standplätze für Biobäuer*innen organisiert und beaufsichtigt. So konnten die Märkte auch in den Corona-Lockdownzeiten durchgehend offengehalten werden.
Forst- und Landwirtschaftsbetrieb der Stadt – 1.000 Hektar gesunde Lebensmittel aus dem Stadtgebiet
Der Forst- und Landwirtschaftsbetrieb der Stadt Wien war bereits Ende der 1970-iger Jahre als erster viehlos wirtschaftender Ackerbaubetrieb in Ost-Österreich ein Bio-Pionier. Heute zählt er mit 1.000 Hektar biologisch bewirtschafteter Acker- und fast 60 ha Weinbauflächen im Stadtgebiet zu den größten heimischen Bio-Betrieben. Geerntet werden jährlich rund 1.800 t Getreide, 3.000 t Feldgemüse und 500 t Erdäpfel. Davon gehen ca. 350 t auf kurzem Weg in die Küchen des Kuratoriums Wiener Pensionist*innenenwohnhäuser. Ein spezielles Bio-Roggenvollkornmehl der Sorte Amilo vomLandwirtschaftsbetrieb der Stadt Wien, Bio-Zentrum Lobau wurde im Dezember 2020 als „gelungene Kooperation zwischen Landwirtschaft, Mühle und Vermarkter REWE“ von Bürgermeister Dr. Michael Ludwig präsentiert (RK 17.12.2020).
Bio Forschung Austria – Forschung für den Bio-Landbau
Das vom Forst- und Landwirtschaftsbetrieb der Stadt Wien geförderte gemeinnützige außeruniversitäre Institut Bio Forschung Austria ist 2006 aus dem 1980 von Prof. Ludwig Maurer gegründeten Ludwig Boltzmann Institut für Biologischen Landbau und Angewandte Ökologie hervorgegangen, einem der ersten Forschungsinstitute für Bio-Landbau. Im LBI wurde 1983 die erste rechtliche Regelung für pflanzliche Bio-Produkte entwickelt, als Vorbild für Regelungen bis hin zur heute gültigen EU-Verordnung.
Heute wird die jahrzehntelange Erfahrung in der ökologischen Grundlagenforschung und der Umsetzung der Ergebnisse in die landwirtschaftliche Praxis v.a. zur Klimawandelanpassung der Bio-Landwirtschaft eingesetzt. „Schwerpunkte unserer Arbeit sind daher Bodengesundheit und Humusaufbau durch Zwischenbegrünungen, biologischer Pflanzenschutz, Kreislaufwirtschaft, Biotonne-Kompostqualität sowie Förderung der Biodiversität“ fassen die Institutsleiter Dr. Bernhard Kromp und Dr.in Eva Erhart zusammen. Die Forschungsergebnisse werden in enger Zusammenarbeit mit den Bio-Landwirt*innen erarbeitet und in Bildungsveranstaltungen direkt an sie zurückgegeben.