Europa in Wien sichtbarer machen – Isabelle Hochauer
Isabelle Hochauer ist Absolventin des Lehrgangs Europa in Wien und hat diesen Beitrag für den Lehrgang verfasst.
Stellt man sich die Frage wie Europa in Wien sichtbarer gemacht werden kann, kommt man nicht umhin sich vorweg einige andere Fragen zu stellen, um die eigentliche zu beantworten. Zunächst die Frage – was ist Europa überhaupt? Oftmals wird das „Zentrum“ Europas beziehungsweise der europäischen Union schlichtweg in Brüssel verortet. Man kann sich darauf verständigen, dass die politische Entscheidungsfindung in Form von europäischen Gesetzen, Verordnungen und Empfehlungen sehr wohl dort passiert. Jedoch ist Politik nicht das einzige Element was Europa definiert oder auch definieren sollte. Somit gilt es zunächst die sich oben aufgeworfene Frage mit alternativen Definitionen zu beantworten – denn Brüssel ist natürlich Teil von Europa und formt bis zu einem bestimmten Punkt dieses Europa mit; jedoch sollte davon abgesehen werden dieser Stadt zuzumuten, dass sie die Einzige sein könnte, die ein gemeinsames Europa und eine Europäische Union formt. Daher soll ein Abriss darüber erfolgen was man unter Europa und viel mehr noch – einer europäischen Identität versteht. Europa ist nicht nur ein Zusammenschluss von Staaten, sondern ebenso eine Wertegemeinschaft. Politisch könnte man hier ebenso argumentieren, dass Europa einen Gegenpol zu westlichen, wie auch östlichen Machtstrukturen darzustellen hat – von dieser Argumentation soll allerdings in diesem Artikel abgesehen werden.
Der Punkt Wertegemeinschaft soll viel eher das Hauptaugenmerk sein. Wie wird aber diese gekennzeichnet; was sind deren Hauptmerkmale? Vorweg soll gesagt sein, dass sich einer Bewertung von Merkmalen immer eine gewisse Subjektivität aufdrängt, immer stark damit verflochten, wie man selbst das Wort Gemeinschaft für sich definiert. In meinem Verständnis von Gemeinschaft (hier meine ich auch die Wertegemeinschaft mit) steht das Wort Vielfalt in Vordergrund. Nicht selten hat es leider in den letzten Jahren einen gewissen negativen Beigeschmack bekommen und es wird im allgemeinen Verständnis von vielen Menschen als etwas Negatives empfunden. Die Vielfalt hat sich als Synonym für ein trennendes Element in der Gemeinschaft eingeschlichen, dabei ist sie doch jenes welches überhaupt erst Verbindungen ermöglicht. Dieser Gedankengang soll an dieser Stelle etwas fortgeführt werden. Es mag absurd erscheinen wieso Vielfalt, die vermeintliche Unterschiede in einer Gemeinschaft sichtbar macht, denn überhaupt als verbindendes Element gesehen werden soll. Aber Vielfalt stellt die Basis dafür da, aus vielen unterschiedlichen Elementen etwas Neues zu formen. Daher soll die Antwort auf die Frage was Europa und die Europäische Union überhaupt ist, anhand der oberen Ausführungen wie folgt lauten: Europa ist die Vielfalt von unterschiedlichen Sprachen, Europa ist die Vielfalt von unterschiedlichen Kulturen und Europa ist nicht zuletzt die Vielfalt der in ihr lebenden Menschen. Anhand dieser kleinen „Definition“ warf sich ebenso die weitere Fragestellung auf ob und wie Europa vielleicht stellenweise bereits in Wien sichtbar ist und ob man diese vorhandenen Elemente nicht nutzen kann, um Europa quasi noch sichtbarer zu machen. Im Zuge der Recherchen konnten hierzu folgendes gefunden werden (anzumerken ist hierbei, dass dies nicht als vollständige Liste anzusehen ist, sondern nur gewisse Sichtbarkeiten aufzeigen soll):
- Unsere Zukunft EU NEU DENKEN: Österreich Dialoge zur EU in Wien
- Europatag 9. Mai – Vienna goes Europe
- Europabüro der Bildungsdirektion für Wien
- EUropa in Wien
- #EUinmyregion
- Haus der Europäischen Union in Wien
- Österreichische Gesellschaft für Europapolitik
- Österreichische Föderation für Europahäuser
- EU Zukunftskonferenz • Botschaften der EU Mitgliedsstaaten
- Kulturinstitute der EU Mitgliedsstaaten
- Institutionen der Europäischen Union in Wien
Die Frage, ob Europa in Wien bereits sichtbar ist, lässt sich somit eindeutig mit Ja beantworten. Ob sich die bereits vorhandenen Elemente nun allerdings dazu eignen auf ihnen beruhend Europa in Wien noch sichtbarer zu machen, soll auf den folgenden Seiten erörtert werden. Es ist nicht unerheblich an dieser Stelle festzuhalten, dass Sichtbarkeit nicht zwangsläufig Hand in Hand mit Greifbarkeit geht. Daher soll mein Ansatz für ein sichtbareres Europa in Wien, auch gleichzeitig lauten es greifbarer zu machen. Europa sicht- und greifbar in Wien Wie bereits erwähnt, macht Vielfalt eine Gemeinschaft aus. Den Begriff Vielfalt würde ich ebenso verwenden, wenn es darum geht die Stadt Wien zu beschreiben. Um einen Bogen zu Europas Vielfalt zu schlagen, soll auf Wiens Vielfalt eingegangen werden. Was genau macht Wien vielfältig? Eindeutig seine unterschiedlichen 23. Bezirke und die dazugehörigen Grätzel in den einzelnen Bezirken. Und in diesem Gedankengang habe ich einige verbindende Elemente zu Europa erkannt. JedeR Wiener*in ist in erster Linie Wiener*in und kann doch gleichzeitig Bewohner*in des eigenen Bezirkes sein (Favoritner, Meidlinger, Donaustädter etc.) und ebenso verhält es sich mit Europa. Man kann in erster Linie Europäer *in sein und gleichzeitig Österreicher*in, Italiener*in, Pole*in etc. Zu Beginn wurde festgehalten das Brüssel oft als Synonym für Europa und die Europäische Union einsteht; ähnlich verhält es sich mit der Inneren Stadt, also dem 1. Bezirk in Wien. Sobald Europa nur Brüssel in den Köpfen der Menschen ist und Wien nur die Innenstadt; verliert sich die Greifbarkeit für einen Großteil der Bevölkerung. Diese soll zurückgeholt werden. Ich halte daher die bereits aufgezählten Sichtbarkeiten als nicht gänzlich dazu geeignet auf ihnen aufbauend Europa in Wien sichtbarer zu machen, weil der Großteil davon nicht greifbar für die breite Masse der Wiener Bevölkerung ist.
Wie also Europa sicht- und greifbarer machen für Alle? Hier eignet sich das Gleichnis von „Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, kommt der Berg eben zum Propheten“. Und um es auf dieses Beispiel zu adaptieren: Wenn Veranstaltungen zu Europa in Wien nicht greifbar für den Großteil der Wiener sind, dann muss die Bestrebung dahingehend lauten: „Wenn die Bezirks- und Grätzelbewohner*innen nicht zur Inneren Stadt und europäischen Veranstaltungen kommen, so muss Europa in die Bezirke und in die Grätzel kommen“. So könnte die Vielfalt der Bezirke und Grätzel auf die Vielfalt von Europa und der Europäischen Union treffen. Hier gebe es mehrere Möglichkeiten wie man das umsetzen könnte. Es folgen nun einige Vorschläge, deren Umsetzung jeweils erörtert werden soll:
- Bezirks- und Grätzelfeste
- Europäische Themenwochen im Bezirk/Grätzel rund um das Datum des Europatages
- Spuren von Europa und der Europäischen Union im Bezirk/Grätzel
- Sprachcafes im Bezirk/Grätzel um in die Sprachen der Europäischen Union reinschnuppern zu können
Bezirks- und Grätzelfest Feste sind Orte der Zusammenkunft und sind somit eine idealer Rahmen dafür die Besonderheiten – seien sie nun kulturell oder kulinarisch – eines Bezirks in den Vordergrund zu rücken. Kultur und Kulinarik aus anderen Mitgliedsstaaten der EU könnten bei solchen Festen als Erweiterung des Rahmenprogramms mit einfließen und Europa somit in Form von Essen und Trinken, sowie Musik sichtbarer gestalten. Europäische Themenwoche im Bezirk/Grätzel Rund um den Europatag der am 9. Mai stattfindet könnte man in den Wochen davor bereits in den einzelnen Bezirken Themenwochen starten, die ihren Höhepunkt am 9. Mai mit einer größeren Veranstaltung finden könnten. Dies hätte zum einen den Vorteil den Feierlichkeiten rund um den Europatag eine größere Bühne zu geben und andererseits könnte man das Engagement und den Willen zur Teilnahme steigern, da man sich persönlich mehr in das Geschehen involviert fühlt und der 9. Mai greifbarer für die Einzelnen wird. Die Begehung des Europatages hat zumindest derzeit nicht so einen hohen Stellenwert, wie zum Beispiel ein 1. Mai. Spuren von Europa und der Europäischen Union im Bezirk/Grätzel In Form einer Bezirks- oder Grätzelrallye könnte man sich auf die historischen oder auch zeitgenössischen Spuren von Europa im eigenen Bezirk/Grätzel machen. In so manchen Bezirk wird sich wahrscheinlich herauskristallisieren, dass man im alltäglichen Leben bereits mehr von Europa und seinen Einflüssen umgeben ist, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Sprachcafes im Bezirk/Grätzel 24 Amtssprachen gibt es in der Europäischen Union – 24 Möglichkeiten also eine neue Sprache für sich zu entdecken. Da Sprache zwangsläufig Teil der Kultur eines Landes ist und somit identitätsstiftend ist, können Sprachcafes als Chance gesehen werden durch diesen sprachlichen Zugang etwas über die anderen Mitgliedsstaaten zu erfahren. In Gegensatz zu Sprachkursen, in die man sich einschreiben muss und denen es womöglich an einer gewissen Ungezwungenheit fehlt, kann man sich stattdessen in einer entspannten Atmosphäre an etwas Neues herantasten. Aus organisatorischer Sicht wäre es ideal die Sprachen durch die Bezirke/Grätzel rotieren zu lassen – so hätte jeder Bezirk die Möglichkeit, dass eine der Amtssprachen bei ihm „vorbeischaut“. Bei dieser Gelegenheit könnte man ebenso bereits im Vorfeld herausfinden, ob sich nicht der eine oder andere „Muttersprachler“ schon in den eigenen Reihen des Bezirkes und Grätzels befindet und bei der Durchführung der Sprachcafes tätig werden wollen würde. Das hätte den netten Nebeneffekt schon vorhandene Synergien zu nutzen und sich innerhalb seiner Gemeinschaft durch so ein Projekt noch besser zu vernetzen – den nicht umsonst heißt es „durch’s Reden kommen die Leut z’samm“. Dies waren einige Vorschläge für ein sichtbares und ebenso greifbares Europa in Wien. Wichtig war bei der Herausarbeitung dieser Vorschläge, dass die bereits vorhandene Vielfalt genützt werden soll. Auf diese Art und Weise verbleibt das sonst unliebsame Wort nämlich in einer positiven Erinnerung und man kann sich schrittweise von dem Gedanken entfernen, dass Europa und die Europäische Union Themen sind, die weit weg vom Alltag sind und die einen nicht persönlich betreffen und womöglich überhaupt einen gänzlich negativen Beigeschmack hinterlassen, sodass man mit dem Thema nichts zu tun haben will. Am Ende des Tages sollte man in den Menschen ein Gefühl von Zusammengehörigkeit in der Gemeinschaft erzeugen. Wien ist anders – sagen die Schilder bei der Autobahneinfahrt und diese Vielfalt und Andersartigkeit sind eine wunderbare Basis, das ebenso vielfältige Europa in der Stadt sichtbarer zu machen