Klimaschutz in Wien & urbane Nachhaltigkeit
Wir erleben gerade eine Zeit mit sehr großen Herausforderungen. Es gilt, eine der größten Gesundheitskrisen in den Griff zu bekommen. Es gilt, die Auswirkungen dieser Krise auf die Menschen dieser Stadt bestmöglich abzufangen und zu managen. Betroffen sind alle Bereiche unseres Lebens: allen voran der Gesundheitsbereich, die Daseinsvorsorge, die Arbeitswelt, Schulen und Kindergärten, aber auch der ganz persönliche Bereich jeder und jedes einzelnen von uns. Für uns alle in der Stadt steht die Bemühung, Wien möglichst gut durch diese Zeit zu bringen, an oberster Stelle – daran arbeiten wir alle mit Hochdruck.
Unsere Hoffnung ist, dass wir diese Pandemie – vieler neuer Hürden zum Trotz – in absehbarer Zeit besiegen werden. Dann werden wieder Themen in den Vordergrund rücken, deren Dringlichkeit nicht nachgelassen hat: Die Klimakrise ist aktueller denn je und alle Maßnahmen, die wir jetzt setzen, können und werden die Zukunft unseres Planeten nachhaltig beeinflussen. Aus der Gesundheitskrise lassen sich dabei auch wichtige Erfahrungswerte zur Bekämpfung der Klimakrise mitnehmen.
Ein wesentlicher Punkt dabei ist: Möglichst viele Menschen müssen dabei mitmachen! Nur gemeinsam wird es möglich sein, die Klimakrise nachhaltig und erfolgreich zu bewältigen. Nicht zuletzt deshalb ist die Verbindung von Klima- und Demokratie-Agenden in einem Regierungsressort so wichtig: Nur wenn es gelingt, gemeinsam mit den Wienerinnen und Wienern Klimaschutz in allen Lebensbereichen zu verankern, werden wir die hohe Lebensqualität in unserer Stadt erhalten können. Und dafür gilt es, im Austausch mit Jung und Alt auch neue Ideen und Konzepte zu entwickeln!
Wir haben uns als Stadt für die nächsten Jahre ambitionierte und mutige Ziele gesetzt: Wir wollen bis 2040 klimaneutral werden – das heißt weniger Treibhausgase ausstoßen als unsere Pflanzen binden können. Und wir wollen auf einen sozialen Klimaschutz setzen. Einen Klimaschutz, der die soziale Frage in den Mittelpunkt rückt. Denn es besteht die große Gefahr, dass bestehende soziale Ungleichheiten durch die Klimakrise verstärkt werden, da müssen wir gemeinsam gegensteuern.
Die Lebensqualität muss für alle Wiener*innen steigen und nicht bloß für jene, die sich diese Lebensqualität sowieso kaufen können. Daran möchte ich gemeinsam mit den Wienerinnen und Wienern arbeiten!
Kreislaufwirtschaft zum Mitmachen
Eine wesentliche Botschaft ist: Jede und Jeder kann einen Beitrag zu einem nachhaltigen Umgang mit der Umwelt, der Natur, den Menschen und den Tieren leisten – auf allen Ebenen: Sei es die Politik, die Verwaltung, die Wirtschaft – aber jede und jeder für sich auch im Privaten mit nachhaltiger Lebensweise und beim achtsamen Einkauf!
„Wiederverwendung und Wiederverwertung“ sind beispielsweise wichtige Aspekte, die zu einem nachhaltigen Leben beitragen: Produkte länger zu verwenden, ist aktiver Klimaschutz. Würde man die Lebensdauer aller Waschmaschinen, Notebooks, Staubsauger und Smartphones im EU-Raum um nur ein einziges Jahr verlängern, könnten rund 4 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Das wäre dieselbe Einsparung, die man erreichen würde, wenn ein Jahr lang plötzlich 2 Millionen Autos weniger auf den Straßen unterwegs wären.
Die Frage, ob sich reparieren auszahlt, ist einfach zu beantworten: Für ein Möbelstück, das 20 Jahre hält, werden nur halb so viele Rohstoffe, Transporte, Energie, Verpackungen sowie Lager- und Verkaufsraum, usw. wie für zwei gleichartige Möbelstücke benötigt, von denen jedes nur zehn Jahre hält. Dafür ist es meistens nicht einmal doppelt so teuer. Das heißt gute Qualität, die lange hält, ist auf die Lebensdauer gerechnet meist billiger als weniger gute Qualität.
Dass die Anschaffung von neuen Produkten oftmals kostengünstiger als die Reparatur des alten Produkts ist, ist zum Großteil der Herstellung geschuldet. Billige Massenprodukte mit kurzer Lebensdauer finden leider viel zu oft Einzug in die Haushalte. Ersatzteile sind gar nicht, oder nur schwer erhältlich, was sich letztlich auf den Reparaturpreis auswirkt. Hier ist die Bundesregierung gefordert, entsprechende Maßnahmen zu setzen, Reparaturen im gesamten Bundesgebiet günstiger zu gestalten. Wir haben in Wien mit dem stetig wachsenden Reparaturnetzwerk und dem nun ausgeweiteten Reparaturbon wichtige Initiativen in diesem Bereich gesetzt.
Ökologisch und nachhaltig einkaufen
Qualität hat ihren Preis – aber wenn das Produkt dann auch von guter, langlebiger Qualität ist und im Fall des Falles auch repariert werden kann, kommt es auf Dauer sogar billiger. Das spart auch Ressourcen, kommt der Umwelt zugute und schützt das Klima.
Robustheit, Langlebigkeit und Reparierbarkeit sind auch wichtige Grundsätze von ÖkoKauf Wien, dem ökologischen und nachhaltigen Beschaffungsprogramm der Stadt. ÖkoKauf Wien ist das ökologisch-nachhaltige Beschaffungsprogramm der Stadt. Seit 1998 werden im Magistrat Produkte möglichst umweltfreundlich eingekauft und verwendet. Jahr für Jahr kauft die Stadt Wien Produkte und Leistungen aller Art im Wert von mehreren Milliarden Euro ein, zum Beispiel Textilien, Bio-Lebensmittel, Waschmittel, Desinfektionsmittel, Büromaterial, Möbel oder Baumaterialien. Das ist etwa so viel, wie alle Wiener Haushalte zusammen für Wohnen, Ernährung, Bekleidung, Reinigung und Auto pro Jahr ausgeben.
Die Grundsätze, nach denen die entsprechenden Positionen und Einkaufskriterien der Stadt erarbeitet werden, sind unter anderem: Schonung natürlicher Ressourcen, ökologische Produktion, Energieeffizienz, Reparaturfähigkeit, Vermeidung von Emissionen sowie gefährlicher und toxischer Materialien. Das dient nicht nur dem Umweltschutz, es ist auch aktiver Klimaschutz und schützt die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch der Produzentinnen und Produzenten. Es dient bei der richtigen Lebensmittelwahl auch dem Tierwohl.
Apropos Lebensmittel: Lebensmittelproduktion, Lebensmitteltransport und Lebensmittellagerung verursachen ein Viertel bis ein Drittel aller Treibhausgas-Emissionen. Die Wahl unserer Lebensmittel und unser Umgang damit beeinflussen die Umwelt und das Klima unmittelbar. Aber auch wie mit Tieren in den Produktionsbetrieben umgegangen wird. Hier kann jeder und jede von uns einen wertvollen Beitrag leisten. Eine nachhaltige und gesunde Ernährung ist ein wichtiger Hebel für den Klimaschutz. Wir haben hier in Wien schon wichtige Initiativen gesetzt: Mit niederschwelligen Angeboten der Umweltberatung, mit Einkaufsführern für Fleischprodukte, unserem städtischen Einkaufsprogramm „ÖkoKauf“ oder der Erhöhung der Bioquote in der Gemeinschaftsverpflegung der Stadt Wien. Dieses Angebot wollen wir weiter ausbauen. Generell gilt: Regionale Produkte in Bioqualität sind jedenfalls die bessere Wahl!
Umweltfreundliche Energie
Gerade im städtischen Raum stellt sich beim Thema Nachhaltigkeit aber eine weitere wichtige Frage – jene der Energienutzung und des Energieverbrauchs. Schließlich ist unser derzeitiger Energieverbrauch hauptverantwortlich für den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase. Auf der Suche nach entsprechenden Lösungen zählen die gesteigerte Energieeffizienz und der Umstieg auf erneuerbare Energieträger zu den Dauerbrennern unter den Klimaschutzmaßnahmen. Zu Recht, denn nur, wenn wir weniger Energie benötigen, können wir unseren Bedarf auch mit umweltfreundlicher Energie decken.
Die Energieplanung der Stadt Wien setzt genau hier an, initiiert Veränderungen und entwickelt das Energiesystem der Stadt weiter. Im Zentrum stehen die Schärfung von klima- und energierelevanten Strategien, die Förderung von Energie-Innovationen, die Begleitung von Pilotprojekten und das Ausrollen von erfolgreichen Einzellösungen auf das gesamte Wiener Stadtgebiet. Gleichzeitig blickt die Energieplanung über die Stadtgrenzen hinaus und versteht die Energiewende als Aufgabe, die es gemeinsam zu bewältigen gilt.
Zweifelsohne ist die räumliche und zeitliche Abstimmung der von der Stadt gesetzten Schritte entscheidend. Eine wichtige Rolle übernimmt dabei die Energieraumplanung. Sie rückt Fragen der künftigen Energieversorgung in den Fokus der Stadtplanung. Durch vorausschauende Energieraumplanung lassen sich erneuerbare Energiepotenziale verorten und mit den Energieverbräuchen der Stadt abstimmen. Die notwendige Infrastruktur für eine CO2-arme und gleichzeitig standortgerechte Energieversorgung kann dadurch strategisch entwickelt und errichtet werden. Das prominenteste Beispiel in diesem Zusammenhang sind die Wiener Klimaschutz-Gebiete: Neubauten, die sich innerhalb dieser Gebiete befinden, dürfen ausschließlich auf hocheffiziente, alternative Energiesysteme zur Wärmebereitstellung zurückgreifen. Fossile Energieträger wie Öl und Gas sind dort für die Aufbereitung von Raumwärme und Warmwasser ausgeschlossen. Das schafft Platz für Innovationen und gibt Planungssicherheit für zukunftsfähige Technologien.
Wien hat sich für die nächsten Jahre jedenfalls ambitionierte Ziele gesetzt und startet die größte Photovoltaik-Offensive in der Geschichte. Bis 2025 soll die Gesamtleistung der Photovoltaik-Anlagen in Wien von derzeit 50 auf 250 MWp steigen, bis 2030 auf 800 MWp. Dafür braucht es Photovoltaik-Flächen von 90-100 Fußballfeldern pro Jahr, eneue Servicestelle, die Vereinfachung von Genehmigungsverfahren für PV-Anlagen und die Verdreifachung der Förderungen. Die Stadt Wien wird dabei als engagiertes Vorbild vorangehen und, wo immer es möglich ist, PV-Anlagen auf öffentlichen und stadtnahen Gebäuden und Flächen errichten.
Grünräume sichern und ausbauen
Wien als Stadt mit der weltweit höchsten Lebensqualität hat ein ganz besonderes Juwel, das es in Zukunft besonders zu bewahren und auszubauen gilt: Mit über 53 Prozent an Grünflächen steht den Wienerinnen und Wienern so viel Erholungsraum zur Verfügung, wie kaum in einer anderen Großstadt. Die wertvollen Natur-, Frei- und Erholungsräume sind für eine Millionenstadt außergewöhnlich und bekommen nun in Zeiten des Klimawandels eine zusätzliche fundamentale Bedeutung:
Grünräume sind als intakte funktionsfähige Ökosysteme einer der wichtigsten Beiträge zur Eindämmung des Klimawandels, da sie CO2 binden und Sauerstoff produzieren; nicht nur durch ihr eigenes Wachstum, sondern auch durch Humusbildung im Boden und die Verhinderung von Erosion.
Grünräume in der Stadt heben deutlich die Lebensqualität. Stadtklima, Wohlbefinden und Gesundheit der Menschen werden begünstigt. Die Wohnqualität wird aufgewertet, das Stadtbild bereichert. Grün ist Lebensraum für Tiere, schafft Orte der Begegnung und ist ein positiver Standortfaktor für Wohn-, Büro- und Geschäftsviertel.
Der Schutz des Wiener Grüngürtels hat bereits eine lange Tradition: Die ersten Teile des Wiener Grüngürtels wurden bereits im Jahr 1905 unter Schutz gestellt. Diese Schutzgebiete wurden seither stetig erweitert. Die im Juni 2020 vom Wiener Landtag beschlossene “Wiener Wald- und Wiesen-Charta” schließt an diese visionären und bis heute erfolgreichen Ideen und Planungen unmittelbar an und erweitert sie für künftige Entwicklungen.
Im Kampf gegen die Sommerhitze braucht es laufend mehr Grün, mehr Parks, mehr Gärten, mehr kühle Gassen und Straßen, mehr Fassaden- und Dachbegrünungen, auch mehr Landwirtschaft in der Stadt. So wird Wien in den nächsten fünf Jahren über 40 ha, also 400.000 m², Parks schaffen, das sind 100 Fußballfelder! Von „grünen Mitten“ im 2. und 20. bis hin zu Riesenarealen in der Seestadt. Wichtig dabei ist: wir gestalten das naturnah und ökologisch, und Cooling-Elemente sind überall fixe Bestandteile. Das bedeutet für die Wiener*innen mehr Lebensqualität. Und Wien arbeitet auch an neuen großen, zusammenhängenden Naherholungsgebieten, vor allem in bevölkerungsstarken Bezirken.
Im Rahmen des Programms „Raus aus dem Asphalt“ werden Asphaltflächen aufgebrochen und mit Sträuchern sowie Blumen bepflanzt.
OekoBusiness Wien
Schließlich hat Wien aber auch im Bereich der Wirtschaft ein ganz besonders Projekt, das gerade im Bereich der Nachhaltigkeit auf beeindruckende Erfolge verweisen kann: OekoBusiness Wien ist das Umwelt-Service-Paket der Stadt Wien für Wiener Unternehmen, das sie bei der Umsetzung von umweltrelevanter Maßnahmen im Betrieb unterstützt und dazu beiträgt, Betriebskosten zu senken. Ziel ist es, saubere Gewinne für Umwelt und Unternehmen durch ökologisches Wirtschaften zu erzielen und mit Umweltschutz innerhalb der Unternehmen hohe Qualität und finanzielle Vorteile zu sichern.
Das Angebot umfasst professionelle, kofinanzierte Beratung, Hilfe bei der praktischen Umsetzung von Maßnahmen, Rechtssicherheit und eine wirksame Öffentlichkeitsarbeit. OekoBusiness Wien verfügt über einen Pool an Beraterinnen und Beratern, die den Unternehmen mit professionellem Know-how zur Seite stehen.
Mittlerweile nehmen 1.300 Wiener Betriebe am Programm von OekoBusiness Wien teil. Allein in den letzten 22 Jahren wurden dabei 692.000 Tonnen an CO2 und 127.370 Tonnen Abfall eingespart!
Wien ist Vorreiter in Sachen Klimaschutz
Diese Schlaglichter auf unterschiedliche Handlungsfelder der Klima- und Umweltpolitik zeigen: Wien schreibt Klimaschutz schon seit Jahrzehnten groß: 1999 wurde das erste Klimaschutzprogramm beschlossen. Damit ist es gelungen, die CO2-Emissionen pro Kopf um rund 40 % zu senken. Wien ist damit das Bundesland mit den geringsten CO2-Emissionen pro Kopf. Das ist gut. Aber klar ist: damit können und werden wir uns nicht begnügen. Wir müssen mehr tun und das rasch. Mit dem rot-pinken Regierungsprogramm, das im Ganzen ein Klimaschutzprogramm ist, hat die Stadtregierung dazu ein klares Bekenntnis abgelegt.
Wir werden in den nächsten Jahren unsere gemeinsamen Anstrengungen zur Senkung der Treibhausgas-Emissionen massiv intensivieren. Als erstes Bundesland haben wir im Regierungsprogramm das ambitionierte Ziel festgelegt, bis 2040 CO2-neutral zu sein. Das heißt: bis 2040 werden wir in Wien so leben, wirtschaften und bauen, dass das Klima nicht mehr geschädigt wird.
Diese Verantwortung tragen wir gemeinsam als Stadtregierung. Und wir nehmen sie allen Bereichen wahr und in vollem Bewusstsein darüber, dass wir gemeinsam an den großen Rädern drehen müssen. Damit meine ich sowohl konkrete Projekte wie neue Öko-Kraftwerke, die einen großen Beitrag zur Reduktion der CO2-Emissionen leisten, als auch verbindliche gesetzliche Instrumente, um auf dem Klimaschutzpfad zu bleiben.
Sozialer Klimaschutz
Klar ist: Klimaschutz geht uns alle an. Es muss uns allen bewusst sein, dass wir diese Krise nur gemeinsam überwinden können.
Darum ist es auch so wichtig alle Wiener*innen mit ins Boot zu holen, denn Klimaschutz ist eine gemeinsame gesamtgesellschaftliche Herausforderung.
Uns geht es um einen sozialen Klimaschutz. Einen Klimaschutz, der die soziale Frage in den Mittelpunkt rückt. Wenn Großkonzerne Ressourcen verpulvern, als ob es kein Morgen gäbe; wenn sie damit große Gewinne machen, während wir alle die Rechnung dafür bezahlen; wenn die mit dem größten Energieverbrauch zuhause einfach die Klimaanlage andrehen oder in den Pool springen können, während die anderen unter der Hitze und unter den Folgen dieses Egoismus leiden müssen – dann haben wir es mit einer akuten sozialen Frage zu tun.
Als Sozialdemokrat*innen geht es uns um ein gutes Leben für alle. Die beste Lebensqualität für alle, nicht nur für die, die sie sich kaufen können. Und darum heißt Klimaschutz für mich: ein gutes Leben für alle, das nicht auf Kosten unserer Kinder gehen darf.
Daher ist auch entscheidend, dass Klimaschutz und Demokratie eng miteinander verbunden werden. Denn der Schlüssel zu einem erfolgreichen Klimaschutz ist die Einbindung und Beteiligung aller Menschen in dieser Stadt. Wir bekommen diese große Herausforderung nur dann hin, wenn es eine breite Akzeptanz dafür gibt – und diese Akzeptanz entsteht durch Beteiligung. Das wird unser Wiener Weg: Gesundes Grün wächst immer von unten nach oben, nicht von oben nach unten!