Was mich dazu bewegt hat meine politische Arbeit der Klimakrise zu widmen – von Lena Schilling
Lena Schilling, Klima-Aktivistin, war zu Gast im Lehrgang “Umwelt in Wien und urbane Nachhaltigkeit” in dessen Rahmen sie uns diesen Beitrag zur Verfügung stellte:
Was mich dazu bewegt hat meine politische Arbeit der Klimakrise zu widmen
Mit 17 Jahren bin ich das erste Mal am Tisch mit 2 Vertreter*innen von Fridays for Future gesessen, ich hatte mich davor zugegeben nur bedingt mit den wissenschaftlichen Fakten von Treibhausgasemissionen und Erderwärmung in der Schule auseinandergesetzt. Da war ein Moment, der Selbstermächtigung wo jemand zu mir gesagt hat: Niemand ist zu klein, um einen Unterschied in dieser Welt zu machen und ich bin ja selbst nicht besonders groß. Außerdem verliere ich nicht so gerne politische Kämpfe, und diese Bewegung hat in ihrem Entstehen schon so viel Hoffnung gegeben, dass jetzt die Zeit des Gewinnens anfängt.
Gleichzeitig war ich bei diesem Treffen die einzige Schülerin, und lauter Studierende haben darüber geredet, was Schülerinnen tun sollen – daran wollte ich etwas verändern. Und obwohl es überhaupt nicht meine Rolle war, habe ich dann Interviews gegeben, tagelang gegoogelt, bin plötzlich auf einer Bühne gestanden vor 15.000 Menschen – so schnell kann man das Gesicht einer Bewegung sein. Das war zwar nicht geplant, aber der Kampf gegen die Klimakrise und ich sind so einfach zusammengewachsen.
Die Möglichkeit, Druck aufzubauen und für Gerechtigkeit einzustehen, eingeladen zu werden, natürlich im Wissen, dass man manchmal das Feigenblatt ist, aber immer auch im Wissen – mir hören Menschen gerade zu – das hat ein Gefühl von Wirksamkeit erzeugt, und ich war Teil von einem weltweiten Gefühl von Selbstermächtigung. Einer Dynamik, in der die Hoffnung und Energie auf immer mehr Menschen übergesprungen ist, und von ihnen wieder auf mich zurück.
Und dieses Gefühl von Gemeinsamkeit das die Klimabewegung geschaffen hat, ist eigentlich auch eines der Motive, die für mich bei Klimapolitik im Zentrum stehen müssen. Klimapolitik kann niemals heißen, dass die Verantwortung für das was mit unserer Welt und damit mit unserer Lebensgrundlage passiert, bei einzeln an oder ihren individuellen Kaufentscheidungen liegt. Die Klimakrise ist ein gemeinsames Problem von allen Menschen auf dieser Welt, politische Lösungen können auch nur auf einer gemeinsamen und damit auf einer gesellschaftlichen Ebene stattfinden.
Bio macht schön ist ein guter Slogan für Leute, die arme Leute für hässlich halten. Es ist leider in der Klimafrage nicht ungewöhnlich, dass sie unter Ausschluss vieler Menschen stattfindet, die ihre Folgen genauso betreffen werden. Sie findet unter Voraussetzungen statt, die über Jahrzehnte getroffene Lebensentscheidungen vieler Menschen ausklammern oder abwertet. Wie etwa den Kauf eines Autos. Und häufig werden Lösungen vorgeschlagen, die sich viele Menschen schlicht nicht leisten können.
Es ist nicht schwer, nachhaltig zu leben, wenn man seine Lebensentscheidungen frei treffen kann und sich um sein Konto wenig Sorgen machen muss. Aber wie kurz dieser Ansatz greift zeigt allein der Umstand, dass es eben doch die sind, die sich nachhaltigen Lebensstil am ehesten leisten können, die ihn am wenigsten leben.
Statistisch wird bei steigendem Einkommen auch der Ökologische Fußabdruck größer. Das schaut etwa so aus, dass jene, die sich ein gutes Gewissen kaufen können gleichzeitig 3- mal im Jahr auf Urlaub fahren. Gefühlt ist es für einige Menschen in Wien wahrscheinlicher, ihre Nachbarn in einer Berliner Szenebar zu treffen als an der U3 Endstation Simmering und eben jene sind oft die, die über andere Urteilen.
So kann man global sehen, dass die reichsten 10% der Weltbevölkerung für mehr als 50% der Treibhausgas Emissionen verantwortlich sind. Und auch in Wien sind eben die Villenbezirke, jene in welchen am meisten klimaschädliches Verhalten nachgewiesen werden kann. Etwa der 13. Bezirk, der Prozentuell den größten Anteil an SUV´s in ganz Österreich hat, ohne besonders viele Berge oder schlechte Straßen aufzuweisen, die das erklären würden. Die Schuldzuweisung an den Konsumenten und ihren Lebensstil, dem Planeten zu Schaden spaltet die Gesellschaft. Umweltschutz wird noch immer viel zu häufig auf dem Rücken der Konsumenten ausgetragen. So werden Konsumenten in Gut und Böse eingeteilt und Mehrheiten für sinnvolle Klimapolitik verspielt. Wer wird sich schon für eine Sache einsetzen, die so verhandelt wird, dass die Dinge, für die man sein Leben lang gearbeitet hat, mit einer überheblichen Leichtigkeit abgetan werden. Klimapolitik als Konsumpolitik ist also nicht nur ökonomisch haltlos, sie ist auch politisch sinnlos.
Das Thema Umweltschutz und Klima wurde in der öffentlichen Debatte viel zu lange getrennt von der sozialen Frage behandelt. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn nur so bleiben vermeintliche Lösungen der Klimakrise mit dem Kapitalismus vereinbar. Aber im Kapitalismus ist die Zerstörung von Umwelt und Menschen Systemprinzip und keine Begleiterscheinung.
Das kann man daran erkennen, dass die 100 Unternehmen, die 71% der weltweiten Treibhausgasmissionen auf diesem Planeten verursachen, nicht im Traum daran denken, damit aufzuhören. Zu viel Geld lässt sich mit schmutziger Energie machen. Jetzt ist das alles nicht so einfach. Wir alle müssen und wollen heizen und einmal öfter als nötig unser Smartphone aufladen. Von einer gesellschaftlichen Perspektive aus, ließen sich Energiebedarf und Energieproduktion durchaus zusammenbringen, ohne dabei die Lebensgrundlage von Millionen Menschen zu bedrohen. Aber bevor wir auch nur eine ernsthafte Debatte führen können, wie wir das Bewerkstelligen sollen, investieren besagte Unternehmen lieber Millionen in Fehlinformationen und Marketing, als in sinnvolle Umweltmaßnahmen. Der Profit dieser Unternehmen ist wichtiger als die Zukunft meiner Generation, das haben wir auch in den letzten Jahren deutlich zu spüren bekommen.
Soziale und ökologische Folgen hängen hier untrennbar zusammen. Diese Konzerne bauen nicht nur für private Gewinne unbegrenzt Ressourcen ab, die eigentlich als Allgemeingüter verstanden werden müssen. Die Ausbeutung und Zerstörung von Böden, um seltene Erden zu gewinnen, die Brandrohdung von Regenwäldern und die Verschmutzung unserer Luft gehen Hand in Hand mit der Vertreibung und Ermordung von indigenen Völkern, der Finanzierung von bewaffneten Konflikten und dem Ausnutzen von Bürgerkriegen.
Also sind eben diese Unternehmen sowohl dafür verantwortlich, dass unsere Luftqualität sich verschlechtert, die Temperatur ansteigt und die Klimakrise nicht mehr aufzuhalten ist, als auch dafür, dass sich die soziale Lage in vielen Weltregionen weiter verschärft, anstatt die lokale Bevölkerung davon Profit erwirtschaften zu lassen.
Die Konsequenzen, dieses Umgangs werden also immer andere tragen müssen. Die, die nicht daran verdienen haben darunter zu leiden und die nächsten Generationen werden damit umgehen müssen. Nach einer Studie von Greenpeace werden in den nächsten 30 Jahren 200 Millionen Menschen ihr Zuhause verlieren. Und dann? Dafür haben wir jetzt noch keine Lösung. Die Folgen der Klimakrise werden uns mit enormen Ernteausfällen, unfruchtbaren Böden und Nahrungsmittelknappheit zurücklassen. Die Klimakrise ist eine der größten Herausforderungen für globale Gerechtigkeit. Und auch in Österreich wird diese Krise immer größere Ungleichheit erzeugen und einschneidende Spuren hinterlassen.
In Österreich starben 2018 mehr Menschen an Hitze als an Verkehrsunfällen. Weiter steigende Temperaturen werden das Gesundheitssystem belasten. Aber jene hohen Temperaturen und deutlich weniger Niederschlag führen zu einem starken Wandel der Lebensrealitäten. Wenn wir davon ausgehen das in gut 20 Jahren im Sommer schon jeder 4. Tag ein Hitzetag sein soll. Dadurch wird sich sowohl die Freizeitgestaltung, der Tourismus und vor allem der Druck auf Naherholungsgebiete erhöhen.
Wien ist davon aufgrund seiner geografischen Lage unter europäischen Städten besonders bedroht. Hier müssen präventiv Anpassungen des Stadtraums vorgenommen und tatsächliche Investitionen getätigt werden. Investitionen, die aber nicht auf einzelne Menschen abgewälzt werden dürfen, sondern in den meisten Fällen von der Stadt Wien finanziert werden müssen. Denn wen wird es am meisten treffen, wenn jeder 4. Sommertag ein Hitzetag ist (also mehr als 33 Grad aufweist)? Vor allem Menschen, die in wenig begrünten Bezirken wohnen und die sich schwer eine Klimaanlage leisten können. Auch in der Stadt Wien wird es diejenigen, die momentan am wenigsten zur Klimakrise beitragen, am meisten treffen.
Die Stadt Wien trägt hier eine klare Verantwortung. Mit sinnvollen Klimamaßnahmen und damit verbundenen Umverteilungsstrategien kann der erste Schritt gesetzt werden. Aber die Sozialdemokratie steht in meinen Augen vor einer größeren Herausforderung. Das Problem der Klimakrise ist ein Systemproblem. Es braucht jetzt radikalere und größere Lösungen. Dass die Sozialdemokratie in diesem umfassenden Sinn Gesellschaft gestalten wollte, können wir noch heute in vielen Straßen Wiens sehen. Diesen Gestaltungsanspruch hatte die Sozialdemokratie schon einmal bei der Errichtung des roten Wiens. Gemeindebauten sind das Paradebeispiel, an dem man festmachen kann, wie radikal und schnell Politik die Lebensverhältnisse ändern kann. Im Vergleich zu den klassischen Einfamilienhäusern ist der Karl-Marx-Hof gleichzeitig ein ökologischer wie ein sozialer Fortschritt. Diesen Mut braucht die Politik auch heute wieder.
Die Gemeindebauten sollten das Leben der Menschen vereinfachen und die Profitlogik im Wohnungssektor brechen. Heute heißt Systemwandel, auch ökologische Nachhaltigkeit miteinzubeziehen. Das ist unbedingt notwendig, um ehrliche Politik für Menschen zu machen. Es fehlen heute Pionier*innen, die an eine Form der Politik glauben, die nicht nur für eine Legislaturperiode oder einen Wahlkampf hält, sondern eine langfristige Perspektive aufzeigt. Denn nur so können wir mit begrenzten Ressourcen umgehen und dafür sorgen das mit Menschen nicht umgegangen als wären sie wirklich Humankapital.
Menschen müssen wieder für Menschen einstehen. Es braucht Planungssicherheit unter dem Moment der Knappheit von diversen Rohstoffen. Das wird sich nicht dauerhaft mit dem Kapitalismus vereinbaren lassen. Heute fällt es vielen Menschen schwer daran zu glauben, dass es eine Welt ohne Grausamkeit geben kann. Ich glaube daran, dass wir eine Welt schaffen können, in der sich die meisten Menschen diese Grausamkeit nicht mehr vorstellen können.
Weil wir so viel zu Gewinnen haben.