SDG 14 – Schutz der Ozeane schützt uns alle – von Petra Bayr
Petra Bayr MA, MLS, ist Abgeordnete zum Nationalrat und Bereichssprecherin für globale Entwicklung sowie Präsidentin der Wiener Bildungsakademie. Sie ist Vortragende in unserem Lehrgang Daseinsvorsorge in Wien.
Die Meere sind nicht nur für die Regulation des Klimas unerlässlich indem sie etwa ein Drittel des CO₂ Ausstoßes der Menschheit aufnehmen. Die Meere und deren Küsten stellen auch für drei Milliarden Menschen die Lebensgrundlage dar. Etwa 40 Prozent der weltweiten Meere sind stark von den Aktivitäten der Menschen beeinflusst. Verschmutzung und die Ausbeutung der Fischbestände stellen eine echte Gefahr dar. Die internationale Staatengemeinschaft muss deswegen engagiert und mit Nachdruck für den Schutz der Meere auftreten.
Die Nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals – SDGs) sind ein Kompass für die globale Entwicklung der Welt bis zum Jahr 2030. Die 17 Ziele und 169 Unterziele bauen auf den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit auf: Soziales, Wirtschaft und Umwelt.
Im Ziel 14 der SDGs wird gefordert, Ozeane, Meere und Meeresressourcen im Sinne nachhaltiger Entwicklung zu erhalten und nachhaltig nutzen.
Die Ozeane der Welt treiben globale Systeme an, die die Erde für Menschen lebenswert macht. Regenwasser, Trinkwasser, Wetter, Klima, Küsten, ein Großteil unserer Nahrung und des Sauerstoffs den wir atmen, werden vom Meer bereitgestellt und reguliert. Jeder zweite Atemzug, den wir nehmen, kommt aus dem Ozean
Neunzig Prozent aller Menschen, die in der Fischerei arbeiten, verdienen ihren Lebensunterhalt in der kleinstrukturierten Fischerei. Zwei Drittel des von Menschen verzehrten Fisches wird von kleinen Fischereien gefangen. Die kleinstrukturierte Fischerei ist die bessere und vor allem nachhaltigere Art Fische zu fangen: Es gibt viel weniger unerwünschten Beifang, der Meeresgrund wird nicht durch schwere Schleppnetze zerstört und viele Menschen verdienen dadurch ihren Lebensunterhalt.
Schleppnetzfischerei
Eines der bedeutendsten Probleme in der Fischerei sind sehr große Schiffe, die riesige Mengen an Fisch unter katastrophalen Arbeitsbedingungen illegal aus dem Meer holen und dabei keine Rücksicht auf die Fischbestände nehmen.
In der Schleppnetzfischerei ziehen ein oder mehrere Schiffe große Netze mit Gewichten über den Meeresgrund, um Fische, Krabben und Garnelen aufzuscheuchen und einzufangen. Durch diese Praxis werden die Lebensräume der Meeresbewohner nachhaltig zerstört und die Meere überfischt, sodass für die regionale Fischerei die Bestände knapp werden.
Versauerung der Ozeane
Es gibt aber noch einen anderen Grund dafür, dass wir unbedingt etwas gegen die Schleppnetzfischerei unternehmen müssen. Ein Forscherteam um Enric Sala beziffert in einer Nature-Studie erstmals, wie viel im Sediment gebundener Kohlenstoff beim Einsatz dieser Fischmethode hochgewirbelt wird: Pro Jahr werden 1,3 Prozent des Meeresbodens bearbeitet, was unter Wasser in Emissionen von schätzungsweise 1,47 Milliarden Tonnen CO₂ resultiert. Diese eineinhalb Milliarden Tonnen sind mehr, als alle Flugzeuge jährlich an CO₂ emittieren. Schleppnetze fördern also die Versauerung der Ozeane und vermindern ihre Fähigkeit CO₂ zu binden.[1]
Die Länder mit der größten Kohlenstoff-Freisetzung durch Schleppnetzfischen sind China, Russland, Italien, das Vereinigte Königreich, Dänemark, Frankreich, die Niederlande, Norwegen, Kroatien und Spanien. Europäische Länder haben also die Möglichkeit viel zu bewirken, wenn sie ausgedehnte Schutzzonen, in denen Schleppnetzfischerei verboten ist, installieren.
Schutzzonen
Derzeit haben laut der »Nature«-Studie nur knapp drei Prozent der gesamten Weltmeere einen hohen Schutzstatus. Nur sieben Prozent sind überhaupt mehr oder weniger streng als Schutzgebiet ausgewiesen. Dieser Anteil müsste laut den Forschern mindestens um 30 Prozent ansteigen und dort das zerstörerische Schleppnetzfischen ganz verboten werden.
Totzonen
Mitte September 2021 erreichte uns die erschreckende Nachricht, dass das Marmarameer nach drei Jahrzehnten intensiver Verschmutzung jetzt ein totes Meer ist.
Im Mai 2021 wurde die Katastrophe deutlich sichtbar. Der Schleim wurde an die Küsten gespült und machte etwa Fischer*innen das Fischen teilweise unmöglich. Algen vermehren sich durch höhere Temperaturen, unbehandeltes Abwasser, das direkt ins Meer abgelassen wird, und geringe Fließgeschwindigkeit. Daraufhin sinkt der Schleim ab und beginnt sich zu zersetzen. Dadurch wird Sauerstoff im Wasser verbraucht, was wiederum die Bildung von neuem Meeresschleim befördert. Expert*innen befürchten eine große ökologischen Krise in der Region, wenn sich der Algenschleim auf die benachbarten Gewässer ausbreitet.
Ohne Sauerstoff können nur wenige Wasserorganismen überleben, die restlichen Lebewesen und Pflanzen sterben ab. Dadurch entstehen sogenannte Totzonen. Die drei größten Totzonen befinden sich in der Ostsee (bis zu 84.000 Quadratkilometer), im Schwarzen Meer (bis zu 40.000 Quadratkilometer) sowie im Golf von Mexiko (bis zu 22.000 Quadratkilometer).[2]
Überfischung
Die heutige Fischerei ist von Fangschiffen dominiert, die das natürliche Regenerationsvermögen der Fischbestände bei weitem übertreffen. Schiffe, mit modernster Sonar-Technik ausgestattet, können Fischbestände schnell und präzise orten. Diese Schiffe gleichen schwimmenden Fabriken, die über Verarbeitung- und Verpackungsanlagen sowie große Kühlsysteme verfügen. Sie sind mit so leistungsstarken Motoren ausgerüstet, dass sie kilometerlange Netze durch die Meere ziehen können.
Große Raubfische wie Lachs, Thunfisch oder Haie sind in den vergangenen 100 Jahren um 90 Prozent weniger geworden. Ihre Biomasse in der Nordsee: minus 97 Prozent. Im Nordatlantik: minus 89 Prozent. Am Golf von Bohai in China: minus 99 Prozent.
Weltweit verursacht die illegale Fischerei Verluste in Höhe von 23,5 Mrd. USD pro Jahr. In der internationalen Fischereiindustrie herrscht ein schockierender Mangel an Transparenz und Rechenschaftspflicht, der nicht nur zu Umweltverbrechen, sondern auch zu Menschenrechtsverletzungen wie Menschenhandel, Piraterie, Waffen- und Drogenschmuggel sowie Zwangsarbeit für die auf den Fischerbooten Beschäftigten führt.
Dieser Mangel an Transparenz und Regulierung ermöglicht hohe Gewinne bei geringem Risiko. Die Ozeane sind ein riesiges Gebiet, aber die nationalen Kapazitäten für die Überwachung und Kontrolle der Fischerei sind begrenzt. Modernisierte nationale Rechtsrahmen in Form von Änderungen historischer Fischereigesetze sind absolut notwendig, um sowohl gegen Menschenrechtsverletzungen an Bord von schwimmenden Fischereifabriken vorzugehen als auch eine gute maritime Governance zu schaffen.[3]
Gesundheit der Meerestiere
Wale sind stärker mit Umweltgiften belastet als bislang angenommen. Die Meeresverschmutzung könnte auch zum Stranden vieler Tiere während der Zugsaison beitragen, vermuten Expert*innen. Die Meeresverschmutzung durch Plastikreste, Pestizide und Schwermetalle könnte auch zum Stranden vieler Tiere während der Zugsaison beitragen.
Neben Schwermetallen wie Quecksilber, Blei und Cadmium fanden Forscher in den untersuchten Walen auch hohe Konzentrationen weitverbreiteter Herbizide aus der Landwirtschaft und Stoffe, die in Kosmetik und Desinfektionsmitteln oder als Weichmacher in Kunststoffprodukten verwendet werden.
Es sind auch Arten betroffen, die keine oder wenige Berührungen mit der Zivilisation haben oder die ihr Leben weit draußen auf dem Meer in tiefen Gewässern verbringen
Die US-Umweltorganisation Pew Charitable Trusts hat berechnet, dass sich die Plastikmenge, die jedes Jahr in Weltmeeren landet, ohne deutliche Eindämmung bis 2040 fast verdreifachen wird.[4]
Mikroplastik wird auch von Kleinstlebewesen im Meer aufgenommen. Plankton ist eine wichtige Nahrungsgrundlage für Fische. Diese werden wiederum von größeren Raubfischen gefressen. Der Kunststoff wird so Teil der Nahrungskette.
In den oberen Wasserschichten des Atlantiks fand das Forscherteam bis zu 7000 Mikroplastikpartikel pro Kubikmeter Meerwasser. Rechneten sie die Proben, die an insgesamt 12 Orten im Atlantik genommen wurden, hoch, so ergab dies näherungsweise eine Gesamtmenge von 12 bis 21 Millionen Tonnen Mikroplastik.[5]
Nicht nur lebende Organismen stehen im Zentrum des nötigen Meeresschutzes, auch beim Abbau von nicht organischen Rohstoffen ist politisches Handeln gefragt.
Deep sea bed mining
Unter Tiefseebergbau versteht man die Gewinnung von Mineralvorkommen in der Tiefsee – dem Bereich des Ozeans unterhalb von 200 m, der etwa 65 % der Erdoberfläche bedeckt.
Das Interesse an den Mineralienvorkommen in der Tiefsee wächst. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Vorkommen von Metallen wie Kupfer, Nickel, Aluminium, Mangan, Zink, Lithium und Kobalt zur Neige gehen und die Nachfrage nach diesen Metallen zur Herstellung von Produkten wie Smartphones, aber auch umweltfreundlichen Technologien wie Windturbinen, Solarzellen und elektrischen Akkus steigt.
Nun hofft man auf reiche Vorkommen auf dem Meeresboden und es gibt starke Kräfte, Verfahren wie Deep sea bed mining so bald wie möglich zuzulassen.
Der Boden der Tiefsee ist aber Lebensraum für unzählige Lebensformen, die sich über mehrere Millionen Jahre hinweg gebildet haben, so dass eine Erholung nach einem Abbau unglaublich langsam sein wird. Unbekannt sind auch die Auswirkungen der Sedimentfahnen, die von den riesigen Maschinen aufgewirbelt werden und wahrscheinlich über weite Strecken unter Wasser treiben werden. Schon jetzt ist klar, wie sehr die großen Meeressäuger unter der Lärmverschmutzung unter Wasser leiden. Die Ökosysteme der Tiefsee müssen geschützt werden, bevor der Bergbau in der Tiefsee vorangetrieben wird.[6]
Forderungen
- Regierende weltweit haben die Aufgabe, nationale und internationale Gesetze zum Schutz der Meere zu verabschieden und deren Umsetzung voranzutreiben.
- Das Recht auf Nahrung kann nicht erfüllt werden, wenn Menschen in Küstengegenden nicht mehr fischen können, weil die Meere verschmutzt oder von internationalen Flotten leergefischt sind. Deshalb sind strenge Fangquoten, temporäre Fangstopps und eine Ausweitung von Schutzgebieten dringend umzusetzen. Die Ozean Kampagne des internationalen Parlamentarischen Netzwerks Parliamentarians for Global Action (PGA) setzte sich dafür ein, illegale Fischerei zu beenden und kämpft gegen diesen mehrfachen Rechtsbruch über Landesgrenzen hinweg.
- Sklavenähnliche Arbeitsbedingungen auf Fischflotten und Menschenhandel sind eine Frage der Rechtsdurchsetzung auf den Ozeanen und zentrale menschenrechtliche Fragen. Zwei Drittel der Erdoberfläche dürfen nicht rechtsfreier Raum sein.
- Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS), der rechtlichen Rahmen zum Schutz und der nachhaltigen Nutzung der Meere samt ihrer Ressourcen, muss konsequent umgesetzt werden.
- Plastikmüllexport müssen wirksam verhindert werden, durch eine Verbesserung der Abfallwirtschaft, im speziellen in Asien, das für 71 Prozent des Plastikmülls verantwortlich ist.
- Einweg-Plastikprodukte müssen konsequent verbannt werden.
- Giftige Plastikzusätze, die sich in der Nahrungskette anreichern können, müssen gänzlich verboten werden.
- Verbot von Mikroplastik in Kosmetik- und Reinigungsprodukten.
- Deep sea mining muss verhindert werden.
- Aufklärung von Konsument*innen zu den oft nicht glaubwürdigen Gütesiegeln für nachhaltige Fischprodukte und zu tatsächlichen nachhaltigen Alternativen.
SDG 14 – Ozeane, Meere und Meeresressourcen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung erhalten und nachhaltig nutzen.
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Bis 2025 alle Arten der Meeresverschmutzung und Nährstoffbelastung verhüten und erheblich verringern.
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Bis 2020 die Meeres- und Küstenökosysteme nachhaltig bewirtschaften und schützen, damit die Meere wieder gesund und produktiv werden.
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Die Versauerung der Ozeane auf ein Mindestmaß reduzieren und ihre Auswirkungen bekämpfen, unter anderem durch eine verstärkte wissenschaftliche Zusammenarbeit.
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Bis 2020 die Fangtätigkeit wirksam regeln und die Überfischung, die illegale, ungemeldete und unregulierte Fischerei und zerstörerische Fangpraktiken beenden und wissenschaftlich fundierte Bewirtschaftungspläne umsetzen, um die Fischbestände in kürzest möglicher Zeit mindestens auf einen Stand zurückzuführen, der den höchstmöglichen Dauerertrag unter Berücksichtigung ihrer biologischen Merkmale sichert.
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Bis 2020 mindestens 10 Prozent der Küsten- und Meeresgebiete auf der Grundlage bester wissenschaftlicher Informationen und im Einklang mit dem Völkerrecht, das die Beziehungen zwischen den Staaten regelt und das wichtige Rechtsgebiet der Vereinten Nationen ist, erhalten.
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Bis 2020 bestimmte Formen der Fischereisubventionen untersagen, die zu Überkapazitäten und Überfischung, illegaler, ungemeldeter und unregulierter Fischerei beitragen.
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Bis 2030 die sich aus der nachhaltigen Nutzung der Meeresressourcen ergebenden wirtschaftlichen Vorteile für die kleinen Inselentwicklungsländer und die am wenigsten entwickelten Länder erhöhen, namentlich durch nachhaltiges Management der Fischerei, der Aquakultur und des Tourismus.
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Die wissenschaftlichen Kenntnisse vertiefen, die Forschungskapazitäten ausbauen und Meerestechnologien weitergeben.
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Den Zugang der handwerklichen Kleinfischer*innen zu den Meeresressourcen und Märkten gewährleisten.
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Die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Ozeane und ihrer Ressourcen verbessern durch die Umsetzung des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen.[7]
[1] Schleppnetzfischen: Schutzgebiete am Meeresgrund halten Kohlenstoff unter Verschluss | ZEIT ONLINE
[2] Wenn das Meer zur Totzone wird – ZDFheute
[3] Project on Ending Illegal, Unreported, and Unregulated (IUU) Fishing and Implementation of SDG 14.4 & 14.6 – Campaign for the Protection of the Oceans and Implementation of Sustainable Development Goal 14 (pgaction.org)
[4] Umwelt: Warum viele Wale stranden – Wissen – SZ.de (sueddeutsche.de)
[5] Studie: Mehr Mikroplastik in Ozeanen als bislang vermutet | BR24
[6] Deep sea mining may be step closer to reality – BBC News
[7] Leben unter Wasser schützen (bundesregierung.de)